Liebe Mitglieder, liebe Partnerinnen und Partner des Kulturrats NRW,
Koalitionsvereinbarung
In diesen Tagen beginnt die Landesregierung ihre Tätigkeit. Die Koalitionsvereinbarung – wie sie bis jetzt bekannt geworden ist – bewerten wir in einer ersten Stellungnahme wie folgt:
Koalitionsvertrag ist gute Basis für die künftige Kulturpolitik
Zu der heutigen Vorlage des Koalitionsvertrags für NRW durch CDU und Die Grünen erklärt der Kulturrat NRW: Das Kapitel Kultur im Vertrag ist eine gute Basis für die Fortsetzung der Kulturpolitik des Landes. Vor allem die weitere Erhöhung des Etats um 50 Prozent bietet dazu die passende Grundlage. Der Kulturrat wird im Herbst die einzelnen Positionen mit den politischen Verantwortlichen aktiv beraten und vertiefen. Offen bleibt der Zuschnitt der Landesregierung. Der Kulturrat NRW setzt sich nach wie vor für ein eigenständiges Kulturministerium ein.
Gerhart Baum, Vorsitzender
Zuschnitt der Ministerien
Wir werden auf der Grundlage unserer veröffentlichten Vorschläge Kontakt mit den Verantwortlichen des Kulturressorts der Landesregierung sowie mit den zuständigen Landespolitikern aufnehmen. Unser Ziel ist es, das erfolgreiche Verhältnis, das sich in den letzten fünf Jahren entwickelt hat, fortzusetzen. Wir streben einen konstruktiven und kritischen Dialog an. Mit den Parteien und mit dem derzeitigen Kulturministerium haben wir schon im Vorfeld der Wahl zahlreiche Gespräche über unsere Vorstellungen geführt. Die Erfahrung zeigt, dass sich vieles erst im Laufe der Legislaturperiode entwickeln lässt.
Wir haben – alarmiert durch die Veröffentlichung des vorherigen Sondierungspapiers und seines kleinen Kulturkapitels – eine starke inhaltliche Positionierung der Kultur in der Vereinbarung angemahnt und den Beibehalt des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft gefordert, zuletzt in unserer Pressemitteilung vom 13. Juni.
Besondere Aufgabenfelder
Auf zwei Feldern haben wir unsere Aufgaben fortgesetzt bzw. in Angriff genommen. Wir werden dabei durch sachkundige Personen unterstützt, die wir mit Hilfe des Landes zeitweise beschäftigen können: Dorothea Sawon, Ingrid Schindler und Katrin Gildemeister ergänzen das Kernteam Catalina Rojas Hauser, Bernd Franke und Ola Stankiewicz. Die Anbindung an die RheinEnergie-Stiftung setzen beide Seiten erfreulicherweise fort. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für unsere Aktivitäten und wir sind dem Geschäftsführenden Vorstand Prof. Dr. Susanne Hilger zu Dank verpflichtet.
Geflüchtetenhilfe
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine überlagert derzeit alle politischen und kulturpolitischen Überlegungen. Viele Menschen sind vor diesem Krieg zu uns geflüchtet. Der Ukraine und auch den zu uns Geflüchteten gilt unsere Solidarität. Für die Kulturschaffenden unter ihnen haben Verbände des Kulturrats NRW ein Portfolio an Maßnahmen entwickelt. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW unterstützt diese Maßnahmen.
Unsere Online-Plattform „Kultur hilft Kultur“ verbindet Angebote aus der Bürgerschaft an Geflüchtete mit Gesuchen von ihnen. Etwa einhundert Angebote und Gesuche sind eingegangen und wir konnten viele Kontakte vermitteln. Der WDR begleitet den Prozess medial. Berichte dazu finden Sie auf unserer Website unter „Presse“. Waren es in den ersten Wochen nach Start des Portals vor allem Angebote, die eingingen, sind es derzeit vermehrt Gesuche. Mit Flyer-Aktionen in Unterbringungseinrichtungen haben wir in vielen Städten Nordrhein-Westfalens Geflüchtete erreicht. Diese Aktion möchten wir in den nächsten Wochen noch weiter ausbauen. Wer immer Kontakte zu Geflüchtetengruppen oder Einrichtungen hat und Flyer vermitteln kann, möge sich doch bitte bei unserer Geschäftsstelle melden (d.sawon@kulturrat-nrw.de).
Derzeit bereiten wir für den Herbst eine neue Maßnahme der Geflüchtetenhilfe vor, die wir aktuell mit dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW abstimmen. Wir wollen Patenschaften ausschreiben und finanziell hinterlegen, bei denen Kulturschaffende aus NRW als Paten und Patinnen neu angekommene Kulturakteure betreuen. Diese Patenschaften führen Geflüchtete in das Kulturleben ein, stellen Kontakte zu Netzwerken her und zeigen Produktions- und Präsentationsmöglichkeiten in Kultureinrichtungen. Den Tandems bieten wir eine pauschale und einmalige Aufwandsentschädigung für einen Zeitraum von vier Monaten an. Zum Start der Ausschreibung werden wir Sie gesondert informieren.
Bei dieser Gelegenheit laden wir auch zum generellen Einsatz in den Netzwerken für „Kultur hilft Kultur“ ein und dazu, die Neuveröffentlichungen im Anzeigenportal im Blick zu behalten. Gefragt sind derzeit Arbeitsmaterialien, Instrumente, Vernetzung und Ausstellungsmöglichkeiten.
Fachstelle Diversitätsentwicklung
Der Kulturrat NRW setzt sich für eine diversitätsorientierte Transformation der Kunst- und Kulturlandschaft in NRW ein. An unserem Runden Tisch Diversität tauschen sich Vertreter*innen unserer Mitgliedsverbände und Partnereinrichtungen über Wissen, Strategien und Maßnahmen ihrer Arbeit aus und stoßen somit Veränderungen mit Wirkung nach innen wie nach außen an. Im vergangenen Jahr haben unsere beiden Kulturkonferenzen ein Thesenpapier zur Diversität im Kulturleben entwickelt und die Bildung einer neuen Netzwerkstelle in NRW gefordert, die Kompetenzen in Bezug auf Diversität bündelt und Kultureinrichtungen und -vereinigungen berät und weiterbildet. (Vgl. https://zukunft-kultur.nrw/, Kapitel 5.)
Mittlerweile hat das Referat Teilhabe des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft NRW die Gründung einer neuen Fachstelle zur transkulturellen Diversitätsentwicklung ausgeschrieben. Diese Fachstelle ist nicht die von uns geforderte Netzwerkstelle. Gleichwohl hat sie den Auftrag, Kultureinrichtungen, kommunale Kulturverwaltungen und -verbände zu beraten und zu qualifizieren, sie begleitet die Förderprogramme „Neue Normalität und Diversitätsentwicklung in Kultureinrichtungen“ und organisiert zwei Kongresse. Hier geht es zur Ausschreibung. Vielleicht findet sich in unseren Reihen eine interessierte Einrichtung, die die Leistungen erbringen möchte.
Der Runde Tisch Diversität NRW des Kulturrats NRW hat Empfehlungen in Bezug auf diese Fachstelle und ihre weitere Profilfindung ausgearbeitet. Sie fußen auf den Ergebnissen der Kulturkonferenzen 2021. Die Fachstelle sollte die Bedeutung eines weiteren dezentral wirkenden Landesbüros erhalten, deren Arbeit durch eine institutionelle Förderung kontinuierlich und nachhaltig aufgebaut werden kann. Das alles setzt eine angemessene Finanzierung mit Projektetat voraus. Auf dieser Grundlage kann die Fachstelle hauptamtliches diverses Personal beschäftigen. Die inhaltliche Arbeit wird durch die Beteiligung von Expert*innen und Akteur*innen aus NRW mitgestaltet und sichtbar gemacht.
Corona-Hilfsprogramme
Die Corona-Krise ist in den Medien längst nicht mehr prioritäres Thema. Überwunden ist sie bekanntermaßen dennoch nicht und im Wiederanlaufen des Veranstaltungslebens hören wir von vielen Problemen. Viele Kulturveranstaltende leiden nicht nur unter dem zurückhaltenden Verhalten des Publikums, sondern auch unter dem Fachkräftemangel, der in der Krise große Ausmaße angenommen hat. Die Hilfsprogramme von Bundes- und Landesregierungen haben viele Kultureinrichtungen, Künstlerinnen und Künstler sowie anderen Kulturschaffenden die wirtschaftlichen Lebensgrundlagen bewahrt. Auch die jüngste Auflage des Landesstipendien-Programms „Auf geht’s“ war ein großer Erfolg. Die Mittel wurden nahezu vollständig abgerufen. Es besteht aber nach wie vor großer Beratungsbedarf. Eine Umfrage des Landesmusikrats NRW aus dem Jahresanfang 2022 zeigte, wie hoch die Rückforderungen aus Überbrückungshilfen und NRW-Soforthilfen ausfallen können. 48 Personen mussten im Schnitt 5.800 Euro zurückzahlen – hier zeigt sich, wie schwer es Künstlerinnen und Künstlern, die die NRW-Soforthilfe von pauschal 9.000 Euro erhielten, fiel, den Förderbedingungen gerecht zu werden.
Wir bieten nach wie vor Online-Workshops an, die auch über die Abrechnung der Corona-Hilfen informieren. Auf unserer Website finden Sie die Übersicht der nahezu wöchentlich stattfindenden Webinare. Die Teilnahme erfordert zwar eine Anmeldung, ist aber gebührenfrei.
Nach der Sommerpause wird es zwei neue Corona-Webinar-Reihen geben: Die erste Reihe behandelt das Thema „Mentale Gesundheit“ mit dem Fokus auf die Kulturbranche. Die zweite Webinar-Reihe beschäftigt sich mit den Corona-Folgen für die Kunst im Kontext der Digitalisierung und nimmt sowohl das veränderte Publikumsverhalten als auch die Entwicklung neuer digitaler Tools für Künstler*innen in den Blick. Die Termine und Titel dieser Online-Seminare werden in Kürze auf unserer Website bekannt gegeben.
Wir möchten noch darauf hinweisen, dass der Umstand, dass die Bundesregierung die generelle Laufzeit des Hilfsprogramms der Kulturstaatsministerin (Neustart Kultur) vom Jahresende 2022 auf Mitte 2023 verlängert hat, erste Früchte trägt. So hat die Bundesvereinigung der Amateurmusikverbände die Laufzeit ihres Förderprogramms verlängert, jüngst auch der Deutsche Musikrat seine Ensembleförderung, und es ist abzusehen, dass weitere Bundeskulturverbände bei ihren Programmen, die teils in Zeitnot geraten sind, nachziehen werden.
Vieles deutet also darauf hin, dass die Corona-Krise nicht vorbei ist und dass auch die Atempause des Sommers geringer ausfällt als erwartet. Wir werden deshalb das Entstehen neuer Schutzmaßnahmen sensibel beobachten. Sollten die Einschränkungen wieder an die wirtschaftlichen Grundlagen des Kulturlebens rühren, ist eine Verlängerung und/ oder Weiterentwicklung vieler der Hilfsprogramme unvermeidbar.
Die Bundeskulturpolitik und die weitere Vernetzung
Kulturstaatsministerin Claudia Roth ist dabei, die Rolle der Kultur für Gesellschaft und Demokratie öffentlich sichtbar zu machen. Die Bundesregierung hat im Haushalt 2022 eine Reihe neuer Maßnahmen vorgesehen. Darunter fallen 5 Millionen Euro für das „GreenDesk“ (eine Beratungsstruktur für Kultureinrichtungen, damit diese ihre Kulturangebote nachhaltiger gestalten können), 6,5 Millionen für das Themenfeld „Globaler Süden“ und 20 Millionen Euro für den Bereich „Ukraine-Hilfen“. Auch das Thema Soziale Absicherung von Künstler*innen wird vorangetrieben. Dazu trafen sich BKM Roth, Bundesarbeitsminister Heil und Vertreter*innen von Künstlerverbänden und dem Deutschen Kulturrat Ende Mai zu einem Austausch.
Wir hatten zuletzt im Juni gemeinsam mit Olaf Zimmermann ein Treffen mit den spartenübergreifenden Verbänden anderer Bundesländer, u.a. mit den Landeskulturräten, soweit sie bestehen. Dieser Austausch entwickelt sich stetig und er ist für alle Beteiligten nützlich. Das Gleiche gilt für unseren Austausch mit den uns nahestehenden Rundfunkräten aller Sender. Die Vernetzung schreitet voran.
WDR
Im Vordergrund steht zur Zeit der neue Medienstaatsvertag, der noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Wir haben darauf geachtet, dass die Kernaufgaben der Sender angemessen berücksichtigt werden – dazu gehören Kultur und Bildung in dieser Umbruchphase, die durch die Entwicklung digitaler Übertragungswege bestimmt ist. Allgemein setzen wir uns für eine Stärkung der Gremien ein, insbesondere für die des Rundfunkrates des WDR. Diese Stärkung ist im Staatsvertrag auch vorgesehen. Thema mit dem WDR ist weiterhin auch die Stärkung der kulturellen Versorgung des ländlichen Raumes.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen erholsamen Sommer
Ihr Gerhart Baum Vorsitzender
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