Corona-Rundbrief Nr. 34 / Mitglieder-Informationen (08.06.2021)

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir blicken auf sehr ereignisreiche und arbeitsintensive Wochen zurück. Herausragendes Thema war und ist nach wie vor die Pandemiebekämpfung und die damit verbundenen Einschränkungen für die Kultur.

Die Überbrückungsprogramme im Bund werden umgesetzt, ebenso die Hilfen in NRW. Das Stipendienprogramm des Landes NRW wird bis Ende September fortgesetzt (1.000 Euro steuerfrei und ohne Anrechnung auf andere Programme bis September. Antragsfrist ist der 30.06.21). Bisher sind ca. 14.500 Anträge gestellt worden.

Bemerkenswert ist die Entscheidung der Bundesregierung, einen Sonderfonds in Höhe von 2,5 Mrd. Euro zur Verfügung zu stellen, um Veranstalter*innen in den kommenden Monaten das Risiko abzusichern, durch Pandemieauswirkungen zu wenig Eintrittskarten absetzen zu können oder absagen zu müssen. Die Umsetzung liegt bei der Staatsministerin Grütters gemeinsam mit den Bundesländern. Hamburg ist für die Erstellung des Antragsverfahrens zuständig, Nordrhein-Westfalen für die Beratung der Interessenten per Hotline. Auch Bayern und Thüringen haben herausgehobene Rollen. Detaillierte Informationen erhalten Sie hier. Auch der Deutsche Kulturrat hat hier dankenswerterweise schon viel informiert. Unseren Bericht über eine Informationsveranstaltung der Staatsministerin für Kultur und Medien und des Deutschen Kulturrats vom 1. Juni, bei der Vertreter*innen von Bundesverbänden viele Probleme ansprechen konnten, finden Sie hier.

Derzeit sehen wir hier vor allem das Problem, dass viele Veranstalter*innen aus unseren Reihen nicht über die Bagatellgrenze von 1.000 Euro hinweg gelangen und darauf angewiesen sein werden, mehrere Veranstaltungen in einem Antrag zusammenzufassen. Das ist zwar im Verfahren auch so vorgesehen, es lässt aber relativ wenig Heterogenität der Veranstaltungen innerhalb eines Antrags zu. Wir werden versuchen, im Dialog mit dem umsetzenden hiesigen Kulturministerium die Situationen der kleineren Veranstalter einzubringen.

Alles in allem ist mit den Programmen, auch wenn die Umsetzung mitunter Schwierigkeiten gemacht hat, vieles unternommen worden, um Nachteile abzuwenden. Das muss anerkannt werden, auch gegenüber den Stimmen, die den Eindruck erwecken, die Kultur sei nicht hinreichend berücksichtigt worden. Dennoch ist dem wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages zuzustimmen, wenn er soeben festgestellt hat, “dass die erheblichen Verluste im Bereich Kultur und Kulturwirtschaft nicht annähernd kompensiert werden konnten.” Allerdings sind die einzelnen Bereiche und Personengruppen ganz unterschiedlich betroffen. Die Rolle der Verbände, also vor allem des Deutschen Kulturrates und die unsere als Kulturrat NRW, war fordernd und fördernd. Sie war und ist unverzichtbar. Wir können die Kulturschaffenden nur auffordern, Mitglieder in den Verbänden zu werden und uns zu stärken.

Das Kulturministerium verhandelt zurzeit mit dem Gesundheitsministerium über Öffnungsstrategien. Der Plan der Landesregierung differenziert zwischen den drei Stufen der Sieben-Tage-Inzidenz unter 35, 35 bis 50 und 50 bis 100. Bei Inzidenzen über 100 greift das Bundesinfektionsschutzgesetz. Mit dem Lockerungsplan wird einiges an kulturellem Geschehen möglich. Nicht zufrieden sind wir damit, dass die Auflagen für Amateure nach wie vor strikter sind als für professionelle Künstler*innen. Selbst bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 35 sind Proben in geschlossenen Räumen nur mit Test und Rückverfolgbarkeit für bis zu 50 Personen erlaubt, bei musikalischen Proben mit Gesang oder mit Blasinstrumenten in ständig durchlüfteten Räumen für bis zu 30 Personen. Man muss schon eine Kirche oder ein Konzerthaus mieten, um auf 50 Probende zu kommen. Damit ist die wichtige gesellschaftliche Bindungskraft der Kulturarbeit von Amateurvereinigungen der Darstellenden Künste und der Musik weiterhin eingeschränkt. (siehe Corona-Schutzverordnung vom 5. Juni)
Der Arbeitskreis Theater für junges Publikum Nordrhein-Westfalen (AK TjP NRW) fordert zudem in einem Positionspapier eine zusätzliche Unterstützung für die Wiederaufnahme und Stabilisierung des Spielbetriebs im Kinder- und Jugendtheater. Die Positionen sind spartenübergreifend relevant, da die Wichtigkeit von kultureller Teilhabe in und nach Krisenzeiten betont wird und eine stärkere interministerielle Zusammenarbeit im Bereich Kultur und Schule eingefordert wird.

Herausragendes Ereignis war die von uns angeregte Kulturkonferenz Zukunft.KULTUR.NRW am 5. Mai, mit der wir Perspektiven künftiger Kulturpolitik entwickeln wollten. Sie war nach der Meinung aller Teilnehmer*innen und Beobachter*innen ein voller Erfolg. In Arbeitsgruppen wird zurzeit weiter beraten. Am Jahresende, voraussichtlich im November, sollen in einer Folgekonferenz Handlungsempfehlungen präsentiert werden. Aufzeichnungen der Vorträge und aller Diskussionsrunden finden Sie auf www.zukunft-kultur.nrw.

Intensiv waren wir in den letzten Monaten mit einer Stellungnahme von 40 Seiten und in zahlreichen Gesprächen an der Erarbeitung des neuen Kulturgesetzbuches für Nordrhein-Westfalen beteiligt. In der Mai-Ausgabe der Zeitschrift Politik & Kultur erschien dazu ein Bericht von Gerhart Baum und Robert von Zahn. Die Anhörung des Landtagsausschusses für Kultur und Medien ist für den 26. August angesetzt. Falls notwendig, gibt es einen weiteren Anhörungstermin am 16. September. Der Gesetzesbeschluss ist für November vorgesehen, sodass das Gesetz dann am 1. Januar 2022 in Kraft treten kann. 

Bereits ab morgen gilt eine neue Kulturförderrichtlinie für Nordrhein-Westfalen. Wir weisen besonders auf eine Änderung bezüglich der Genehmigung des vorzeitigen Maßnahmebeginns hin: Diese erfolgt bei Anträgen auf Zuwendungen bis 50.000 Euro automatisch mit Eingang des Antrags bei der Bezirksregierung, sofern der/die Antragsteller*in eine Erklärung dazu abgegeben hat. Diese Erklärung sollte in etwa lauten: “Ich erkläre hiermit, dass ich mit dem Vorhaben vor Antragstellung noch nicht begonnen habe und zusage, auch für den Zeitraum zwischen Antragstellung und einer eventuellen späteren Bewilligung des Vorhabens die Regelungen der allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung gemäß Anlage 2 zu Nr. 5.1 VV zu § 44 LHO einzuhalten.” In die Online-Antragsverfahren soll der Satz entsprechend eingebaut werden.

Wir haben die bundesweite Vernetzung der Kulturszene vorangebracht. Die Länder, die einen Landeskulturrat oder ähnlichen Dachverband haben, bereiten sich auf unsere Initiative hin auf die Gründung einer ständigen Konferenz der Landeskulturräte vor. In enger Verbindung mit dem Deutschen Kulturrat wollen wir die Zusammenarbeit auf Länderebene stärken, auch als Partner der neu gegründeten Konferenz der Kulturminister*innen der Länder.

Auch auf Ebene der Rundfunkräte vernetzen wir uns bundesweit mit all denjenigen, die von der Kultur in die Rundfunkräte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ARD, ZDF, Deutschlandfunk) entsandt wurden. Ein erstes Treffen hat Mitte Mai stattgefunden, weitere sollen folgen. Ein Austausch ist dringend erforderlich, damit sich die Kultur bei den in Aussicht genommenen Strukturveränderungen als stark erweist. Diese Diskussionen führen wir, die Vertreter*innen der Kultur, jetzt auch im Rundfunkrat des WDR. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss seine Kernaufträge schärfen, dazu gehört die Kultur. Sie strahlt aus in andere Bereiche, wie der kulturellen Bildung. Sie ist gelebte Demokratie und ein Alleinstellungsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Ausbau dieses Bereichs statt Einsparung muss das Ziel sein.

Seit Anfang des Jahres ist der Runde Tisch Diversität an den Kulturrat NRW angegliedert. Ein erstes digitales Treffen der Mitglieder verschiedener Interessenverbände und in NRW agierende Institutionen und Förderinitiativen hat stattgefunden. Im Vordergrund stand die eigene Ausrichtung und Positionierung, vor allem in Hinblick auf das Gesamtkonzept Diversität in Kunst und Kultur, welches aktuell vom Kulturministerium entworfen wird. Der Runde Tisch Diversität versteht sich als lernende Plattform für Wissenssammlung und Dialog. Ziel ist es, Strategien und Handlungsleitfäden für einen Diversitätsprozess des Kunst- und Kultursektors mit Ausstrahlung auf die Gesellschaft insgesamt zu entwickeln.

Zum Thema Individuelle Künstler*innenförderung hat der Vorstand eine Konzeption verabschiedet, mit der angestrebt wird, in die Landesförderung eine nachhaltige Absicherung statt nur einer Projektförderung für Künstler*innen einzuführen, das Kompetenz-Potenzial der Künstler*innen zumindest durch mittelfristige Stipendien zu sichern, im Förderportfolio auch die Beauftragung Dritter durch Künstler*innen vorzusehen und dieses Portfolio durch Arbeitstreffen und Tagungen evaluierend zu begleiten. Das Konzept stammt von Harald Redmer, Ilka Helmig, Matthias Hornschuh, Nilüfer Kemper, Reinhard Knoll und Robert v. Zahn.

Die AG Kulturelle Bildung hat von März bis Mai einen Kulturrats-internen Hearing-Prozess durchgeführt, bei dem Expert*innen aller Sparten aus dem Bereich der Kulturelle Bildung zum Status Quo und zu Bedarfen befragt wurden. Eine erste Auswertung ist für Mitte Juni geplant. Die Ergebnisse sollen, auch im Kontext des geforderten „NRW-Gesamtkonzepts Kulturelle Bildung“, veröffentlicht werden.

Bis Ende Mai lief die Online-Umfrage des Kulturrats NRW mit dem Titel „Wie finden Kunst und Kultur in Pandemiezeiten und zukünftig in NRW statt?“ Bei den rund 500 vollständigen Rückläufen sind Kultureinrichtungen mit 49% und professionelle Künstler*innen mit 51% vertreten. Bis zur Sommerpause sind qualitative Interviews terminiert, die die Umfrageergebnisse ergänzen sollen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse soll dann im Herbst erfolgen.

Anlässlich der Landtagswahlen im Mai 2022 erstellt der Kulturrat NRW Wahlprüfsteine. Grundlage soll die „Halbzeitbilanz“ des Kulturrat NRW werden, die im März 2020 der Politik vorgestellt wurde. Die Wahlprüfsteine sollen in Form knapper Statements im September an die Verantwortlichen gesandt werden.

Bleibt noch zu berichten, dass wir uns auf unser 25-jähriges Jubiläum vorbereiten, das wir im Rahmen der Mitgliederversammlung am 19. November in Köln begehen werden.

Mit einem einsatzfreudigen, kreativen Team der Geschäftsstelle und ausgeglichenem Budget gehen wir zuversichtlich in die nächsten Monate. Es muss gelingen, dass die Kultur aus der Krise stärker herauskommt als sie hineingegangen ist.

In diesem Sinne, mit freundlichen Grüßen

Ihr Gerhart Baum
Vorsitzender des Kulturrats NRW

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