“Ressortübergreifende Zusammenarbeit in der Kulturellen Bildung” – Bericht von der Fachtagung

Am 18. März 2024 lud der Kulturrat NRW zur Arbeitstagung „Gemeinsame Verantwortung – Ressortübergreifende Zusammenarbeit in der Kulturellen Bildung“ ins Kölner Filmhaus ein. Realisiert wurde die Veranstaltung in Kooperation mit dem Kultursekretariat NRW Gütersloh, dem Landesverband der Musikschulen NRW, dem Filmhaus Köln und mit kubia – Kompetenzzentrum für kulturelle Bildung im Alter und inklusive Kultur.

Nach der Begrüßung durch Geschäftsführerin Catalina Rojas Hauser und dem Vorsitzenden Lorenz Deutsch eröffnete Dr. Anika Duveneck (Freie Universität Berlin) die Konferenz mit einem wissenschaftlichen Vortrag über die Zusammenarbeit zwischen Zuständigkeiten im Bildungsbereich. Anschaulich erläuterte sie, wie Funktions- und Hierarchiebarrieren so genannte „operative Inseln“ zur Folge haben, die eine Arbeitsfähigkeit über Ressortgrenzen hinweg erschweren oder gar verhindern. Die Lücken zwischen diesen Inseln gelte es zu überbrücken. In Folge beschrieb Duveneck, welche strukturellen Hindernisse überwunden werden müssten, um Bereiche zu vernetzen, die jeweils von unterschiedlichen Eigenlogiken bestimmt sind. Ein wichtiger Baustein ist dabei die Öffnung von Systemen unter Berücksichtigung der jeweiligen Bedingungen in den unterschiedlichen Zuständigkeiten.

Anschließend bat Brigitte Schorn, die Leiterin der Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW, drei Interviewpartner zu einem Gespräch aus der Praxis-Perspektive: Den Bielefelder Schulleiter Torsten Schätz, die Tänzerin und Choreographin Anna-Lu Masch aus Bad Honnef und den Essener Beigeordneten für Jugend, Bildung und Kultur, Muchtar Al Ghusain.

Aus kommunaler Sicht bekräftigte Al Ghusain, dass die von Anika Duveneck erwähnten Eigenlogiken der unterschiedlichen Bereiche oftmals Kooperationen erschwerten, da beispielsweise Erzieherinnen und Lehrpersonen in Schulen in „unterschiedlichen Welten“ unterwegs seien.

Schätz stellte die Pflicht des Systems Schule heraus, kulturelle Bildung anzubieten, da nur über die Schule alle Kinder und Jugendlichen erreicht würden. Persönlich habe er gute Erfahrungen mit dem Programm „Kulturagenten für kreative Schulen in NRW“ gemacht, das er sehr empfehle. Insgesamt betonte er, welch wichtige Rolle Kulturelle Bildung, über ihren emanzipativen und partizipativen Ansatz, für Kinder und Jugendlich spiele. Kulturelle Bildung könne helfen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.

Für Anna-Lu Masch ist „Kooperation“ das Schlüsselwort. Sie beschrieb anhand ihrer eigenen Erfahrungen mit dem langjährigen Projekt „Bad Honnef tanzt“, wie wichtig die Verbindung von Jugendarbeit mit dem Schulkontext ist. Dabei wurde klar, dass erfolgreiche Beispiele der Kulturellen Bildung nach wie vor vom Engagement und den Netzwerken einzelner Akteure abhängen. Das brachte Al Ghusain zu der Forderung, unbedingt übergeordnete Strukturen in der Fläche einzubinden und von den, wenn auch gelungenen, Einzelprojekten wegzukommen.

In der anschließenden Workshop-Phase waren die achtzig Teilnehmenden aufgefordert, an fünf Thementischen „Rezepte“ zu erarbeiten, wie zukünftige Zusammenarbeit zielführender ausgestaltet werden könnte.

Tisch 1 fragte, wie gut öffentliche Förderprogramme aufeinander abgestimmt sind. An Tisch 2 ging es um die Frage, wie kulturelle Teilhabe entlang der Bildungsbiografie gestaltet werden kann. Tisch 3 hatte die Systematisierung der Zusammenarbeit zum Thema. Wie Qualitäten gedacht werden können, darum drehte sich das Gespräch an Tisch 4. Und an Tisch 5 wurde darüber nachgedacht, wie Multiprofessionalität gestärkt werden kann.

Die Ergebnisse werden in einer Dokumentation aufbereitet und auf der Website des Kulturrats NRW veröffentlicht.

Zum Abschluss der Arbeitstagung bat Moderatorin Kerstin Hübner vier Vertreterinnen und Vertreter aus vier unterschiedlichen Perspektiven auf die Bühne. Für die kulturelle Jugendarbeit Kurt Eichler von der LKJ, für die kommunale Sicht Muchtar Al Ghusain aus Essen, für das NRW-Schulministerium Michaela Günther und für das Kulturministerium Anna Rudat.

Dabei lobten die Ministeriumsvertreterinnen die bereits bestehende interministerielle Zusammenarbeit in Gestalt der Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW. Eine Zusammenarbeit, die jedoch aus Sicht Eichlers durchaus ausbaufähig wäre. Er betonte auch, dass ein gemeinsames Verständnis für Kulturelle Bildung noch nicht geklärt sei. Muchtar Al Ghusain war es ein Anliegen, auf das Dilemma des Schulsystems hinzuweisen, in dem eine Verzahnung von Vormittags- und Nachmittagsunterricht landesseits nicht gewollt sei. Das Potenzial des gebundenen Ganztags werde hier nicht ausgeschöpft. Ob das nur an den mangelnden Ressourcen liegt, wurde nicht ausgeführt.

Michaela Günter kam im weiteren Verlauf darauf zu sprechen, dass die Entwicklung gemeinsamer Konzepte essenziell sei. Dabei fielen Stichworte wie „relatives Qualitätsverständnis“ und „Umgang mit unterschiedlichen Bedarfen“. Dass auf fachlicher Ebene in allen Ressorts Übereinstimmung herrsche, sah sie als gesetzt. Al Ghusain plädierte dafür, auch den Menschen vor Ort eine gewisse Freiheit zu geben, Dinge zu gestalten. Dabei gehe es um Vertrauen und darum, die Menschen zu ermächtigen. Das könne über fachbezogene Pauschalen funktionieren.

Der Fachtag wurde abgerundet durch ein kurzes Gespräch mit den beiden stellvertretenden Vorsitzenden des Kulturrats NRW, Heike Herold und Reinhard Knoll. Darin stellten sie heraus, dass sie eine große Dialogbereitschaft wahrnehmen und grundsätzlich eine positive Entwicklung im Laufe der vergangenen zehn Jahre sehen. Der interdisziplinäre Austausch, wie er im Kulturrat schon lange gelebte und erfolgreiche Praxis sei, sollte idealerweise auch auf das Querschnittsthema Kulturelle Bildung übertragbar sein. Darüber hinaus plädierte Knoll für eine Beschleunigung der Aushandlungsprozesse und äußerte den Wunsch, dass die Marginalisierung von kultureller Bildung in der Gesellschaft möglichst bald überwunden sein möge.

Jetzt gilt es, aus den zahlreichen Ergebnissen des Tages herauszufiltern, was zu tun ist.

 

Catalina Rojas Hauser , 20.03.2024

Konzeption der Tagung:
Karin Grummert, Almuth Fricke, Linda Müller, Catalina Rojas Hauser, Brigitte Schorn, Vera Schöpfer

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