Pressemitteilung des Kulturrats NRW zum Jahreswechsel
19.12.2022
Das zu Ende gehende Jahr war erneut ein Jahr großer Herausforderungen, eine Ballung von Veränderungen und Krisen. Sie haben nicht nur unser Land, sondern die ganze Welt erschüttert – bis heute. Viele Krisen sind auch unsere Krisen, mit verursacht durch unsere Versäumnisse. Wie lange wurde die Klimakatastrophe nicht ernst genommen, das gilt ebenso für die Aggressionspolitik von Putin-Russland. Frieden und Menschenwürde, die Grundlagen der Völkergemeinschaft, die Grundlagen der UNO-Charta seit 1945, werden jetzt von diesem skrupellosen Angreifer massiv in Frage gestellt, der sich an keine Verträge mehr hält. Allein die Angriffe auf die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur sind schwere Kriegsverbrechen.
Auch Kunst und Kultur sind Opfer des Angriffskrieges. Sie sind Ausdruck von Freiheit, und die fürchtet der Diktator. Deshalb unterdrückt er im eigenen Lande jede Regung der Freiheit und versucht, die Demokratie – und mit ihr die Freiheit der Kunst – in der Ukraine zu zerstören.
Mit dem erfolgreichen Programm „Kultur hilft Kultur“ brachte der Kulturrat NRW im März sehr schnell unsere Solidarität mit geflüchteten Künstler*innen aus der Ukraine zum Ausdruck. Wir streben für 2023 eine Fortsetzung unserer Arbeit für Geflüchtete an. Dabei wollen wir die Zielgruppe erweitern. Wir stimmen uns mit den Projekten der Mitgliedsverbände ab und müssen die Kapazitäten der Geschäftsstelle stärken.
Kunst und Kultur in unserem Lande hatten sich kaum von Covid erholt. Sie sind nun von den Folgen der Aggression gegen die Ukraine und von den weltwirtschaftlichen Verwerfungen erfasst. Die Kulturschaffenden im Lande sind, wie die Gesellschaft insgesamt, erschöpft.
Es ist gelungen, die schädlichen Folgen der Pandemie zu verringern. Die meisten Strukturen wurden gerettet. In diesen düsteren Zeiten haben wir alles unternommen, um Kunst in unserem eigenen Lande weiter zu ermöglichen. Im Rahmen des Erreichbaren waren unsere Bemühungen erfolgreich. Man denke nur an die Stipendienprogramme. In unserer Gesellschaft ist das Bewusstsein dafür gewachsen, dass gerade in diesen unsicheren Zeiten die Kunst unsere Gesellschaft, unsere Demokratie festigt und dem einzelnen Menschen Orientierung gibt. Auch jetzt in der Bedrohung durch Teuerung und Energieknappheit sind wir voller Hoffnung, dass der Kunst Entfaltungsräume gesichert werden und Strukturen erhalten bleiben. Aber es ist kein Zweifel, dass auch die Kulturszene bis aufs Äußerste belastet war und noch ist.
Immer sind es vor allem die einzelnen Künstler*innen, denen die Existenz wegbricht, sowie die freien Einrichtungen und Veranstalter*innen. Wir setzen uns jetzt dafür ein, dass die Bundesprogramme bezüglich Energiehilfen, die unmittelbar nur den Einrichtungen helfen, durch Künstlerhilfe des Landes NRW ergänzt werden. Diese Forderung hat unbedingte Priorität. Ganz allgemein muss die Soziale Lage dieses Personenkreises verbessert werden. Das jetzt vorgeschriebene Mindesthonorar, das gezahlt werden muss, wenn das Land fördert, ist ein Schritt auf diesem Wege. Weitere Schritte, auch auf Bundesebene, müssen folgen.
Wir blicken auf ein Jahr zurück, in dem sich die NRW-Landespolitik nach der Landtagswahl im Mai 2022 neuformiert hat. Entsprechend haben wir die Gesprächsverhältnisse mit denen, die Verantwortung übernommen haben, neu geknüpft. Dabei haben wir keinen Zweifel daran gelassen, dass der Aufbruch der letzten fünf Jahre fortgesetzt werden muss, der durch Personen wie Laschet und Pfeiffer-Poensgen und durch Abgeordnete des Landtages – stellvertretend genannt seien der Vorsitzende des Kulturausschusses Oliver Keymis, sowie Bernd Petelkau, Lorenz Deutsch und Andreas Bialas – getragen wurde. Die Wahlprogramme und die Koalitionsvereinbarung gehen ganz in diese Richtung, unterstützt durch das neue Kulturgesetzbuch.
Enttäuschend ist, und das möchten wir am Beginn der neuen Legislaturperiode ganz deutlich zum Ausdruck bringen, dass ein zentrales Element dieses Aufbruchs – die weitere Erhöhung des Kulturetats um 50 Prozent – schon im ersten Haushaltjahr der neuen Legislaturperiode nicht umgesetzt wurde. Statt der vorgesehenen jährlichen Erhöhung von 30 Mio. Euro wurden nur 5,6 Mio. Euro in den Kulturhaushalt eingesetzt. Das ist ein sehr negatives Signal. Wir haben Verständnis dafür, dass angesichts der Lage Kürzungen zu diskutieren sind, aber wir weisen darauf hin, dass der Kulturetat wirklich keine Belastung des Landeshaushalts darstellt. Wir haben aufgeschrieben, welche Förderungen und welche wichtigen Projekte dadurch im Jahre 2023 nicht realisiert werden können. Uns wurde zugesichert, dass es insgesamt bei der 50-prozentigen Erhöhung des Landeshaushaltes in dieser Legislaturperiode bleibt. Wir bauen darauf.
Die Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium, mit der neuen Ministerin Ina Brandes ist bei manchen Kontroversen im Einzelnen, die aber das Bild nicht trüben, konstruktiv und vertrauensvoll. Wir wünschen den Kulturpolitiker*innen des Landes Erfolg. Wir werden dazu beitragen – auch durch eine Aufgabe, die wir in diesen Krisenzeiten verantwortungsvoll wahrgenommen haben. Gemeint ist damit die intensive Beratung der Kulturschaffenden im Lande.
Unsere Besorgnis gilt der Entwicklung der Kulturetats unserer Kommunen. Sie bedürfen der Entlastung. Zu diesem Thema stehen wir in regelmäßigem Kontakt mit den Kommunalverbänden.
Auch die bundesweite Vernetzung mit den Landeskulturräten sowie mit den von der Kultur entsandten Mitgliedern der Rundfunkräte anderer Sender haben wir weiterentwickelt. Das ist besonders wichtig, droht doch der Kultur im Rahmen der Reformbemühungen des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks Gefahr, und zwar dann, wenn der verfassungsrechtliche Kulturauftrag der Sender nicht beachtet wird. Wir werden weiterhin diesen Auftrag im WDR nachdrücklich zur Geltung bringen, auch im Hinblick auf die Klangkörper des Senders, die bereits zur Disposition gestellt werden.
Gerhart Baum
Vorsitzender des Kulturrats NRW