Kunstbesitz und Kunstverkauf: Der 8. Kulturpolitische Dialog erkundete einen Regelungsbedarf

Dritter Kulturpolitischer Dialog im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW, 04.02.2012

Es ist schon wieder zwei Monate her, dass in Düsseldorf erneut der “Runde Tisch” zum Kunstverkauf mit Politikern, Managern und Kunstexperten zusammenkam. Seither ist gewiss, dass die WestLB-Nachfolgerin Portigon im Zuge der Abwicklung der zerschlagenen Landesbank die Sammlung aus 380 Kunstwerken und drei Streichinstrumenten an die Kunstsammlung NRW veräußert. Die landeseigene NRW-Bank gewährt der Stiftung Kunstsammlung einen Kredit über den Kaufpreis. Und das Land übernimmt die auf bis zu 300.000 Euro pro Jahr veranschlagten Zinsen. Das grundsätzliche Problem, wie die Veräußerung von Kunst aus dem Besitz von Unternehmen mit öffentlicher Bindung zu bewerten ist, ist damit aber nicht gelöst: Nach der viel diskutierten Versteigerung von zwei Werken Andy Warhols aus dem Besitz der landeseigenen Westspiel in New York, wird nun auch die öffentlich-rechtliche Anstalt WDR Bilder aus ihrem Besitz bei Sotheby’s in London anbieten.

In der 8. Veranstaltung “Kulturpolitischer Dialog” erläuterte Kulturministerin Ute Schäfer am 15. August in der 16. Etage ihres Hauses im Gespräch mit Christiane Hoffmans ihr Vorgehen bezüglich des Kunstverkaufs aus Unternehmen mit öffentlicher Bindung. Bezüglich der Westspiel-Veräußerung bekannte sie, dass ihr Haus damals zu spät von den Entscheidungsgremien der Portigon informiert worden und auf die Problemlage nicht vorbereitet gewesen sei. Zu den Maßnahmen der Ministerin zählte die Einberufung des “Runden Tischs”, an dem seitens des Kulturrats NRW dessen Vorsitzender Gerhart Baum und Stellvertreter Reinhard Knoll beteiligt sind. Zudem setzte die Ministerin eine Sachverständigenkommission ein, um den Wert der Sammlung ideell und materiell einschätzen zu können. Der Verkauf aus Deutschland hinaus wurde zum Teil gestoppt, indem die Ministerin einzelne Objekte auf eine Liste national zu schützenden Kulturgutes setzte.

Die Rechtslage ist kompliziert, erläuterte die Ministerin, denn die Portigon ist eine Aktiengesellschaft und man könne ihr die Verkäufe nicht einfach verbieten. Allerdings griff die Ministerin öffentlich ein, als der (soeben abgelöste) Vorsitzende der Portigon Kai Wilhelm Franzmeyer Januar 2015 in einem Interview vorschlug, dass man die Portigon-Werke erst einmal zwei Jahre in Museen des Landes zeigen könne, womit auch eine Wertsteigerung vor dem Verkauf verbunden sei. Ute Schäfer möchte einen Kodex zum Umgang mit Kunst entwickeln. Im 8. Kulturpolitischen Dialog konfrontierten nun Christiane Hofmans und Oliver Scheytt die Ministerin, den Präsidenten des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes Michael Breuer, die Kunstsammlungsleiterin Brigitte Franzen, den Autor Georg Seeßlen (“Geld frisst Kunst…”) und den Auktionator Robert van den Valentyn mit der Forderung und Frage zugleich: “Kunstbesitz verpflichtet!?” Van den Valentyn stellte die Versteigerung von Kunst aus öffentlichen Besitz grundsätzlich nicht in Frage, sofern sie legal sei, bedauerte aber, dass wohl die Bilder von Westspiel als auch die des WDR über auswärtige Auktionshäuser an neue Besitzer gehen. Dem Land entgingen hohe Ertragssteuern und im Falle des WDR seien unter den Werken auch so viele von lediglich regionaler Bedeutung, dass das Anbieten im Ausland eher eine Ertragsminderung als -steigerung bedeute.

Zum grundsätzlichen Problem stellte van den Valentyn die Frage, ob man denn nach dem Verkauf der Warhols nun wirklich etwas vermisse: Wir haben eigentlich genügend Warhols in NRW, auch dank Peter Ludwig. Da protestierte Brigitte Franzen und wies darauf hin, dass es sich bei den Aachener Warhols um Frühwerke handele und dass etwa ein Single- und ein Double-Warhol aus der Sammlung Peter Ludwigs zusammen mit dem Aachener Tripple aus Landesbesitz wunderbar zeigen würden, wie die Idee der Serie bei Warhol entstanden sei. Für Franzen stellt der Verkauf durch Westspiel einen Tabubruch dar.

Michael Breuer differenzierte zwischen den Unternehmen Westspiel und Portigon in Bezug auf den Einfluss des Landes und die Rechtslage. Und der WDR ist noch einmal anders aufgestellt. Eigentlich müsse man die Frage, ob Kunst verkauft werden dürfe, Unternehmen für Unternehmen und sogar Stück für Stück neu beantworten. Die Landesregierung komme nicht umhin, eine harte Linie zu definieren, sonst bringe sie die Handelnden jeden Tag in neue Schwierigkeiten. Denn deren Unternehmen unterliegen auch dem Aktienrecht und anderen verbindlichen Regelungen.

Georg Seeßlen verlagerte das Problem des Kunstverkaufs aus öffentlicher Hand hin zur Problematik des Kunstmarkts in kapitalistischen Demokratien generell. Der Kunstmarkt funktioniere nach den Regeln des Kapitalismus und nach denen des Entertainment. Beides sei gefährlich. Solange Kapitalismus und Demokratie im Einklang stünden, ginge es auch der Kunstfreiheit gut, denn die Demokratie sieht sich durch die Kunstfreiheit passend dargestellt. Auswüchse richten aber großen Schaden an. In der Überhitzung des Kunstmarkts würden vielleicht dreißig Künstler gut verdienen, für Hunderte oder sogar Tausende andere bedeute diese aber sogar Verarmung. Brigitte Franzen übertrug das Dilemma auf die Kunstinstitutionen: Die Idee der Freiheit, die immerhin gesetzlich garantiert ist, bedingt, dass es Institutionen gibt, die sich um die Freiheit kümmern. Im Falle der Kunst sind das die Museen. Jeder Museumsdirektor steht aber bei Fragen des Ankaufs und der Ausstellungsplanung im ständigen Widerstreit zwischen Ökonomie und Freiheit der Kunst. Zudem sei die intellektuelle Regulativkraft der Kunst bei Politik und Wirtschaft in Vergessenheit geraten. Franzen kritisierte, dass im Falle der NRW-Verkäufe die Expertise der Museumsleiter nicht herangezogen wurde. Und sie forderte, dass der Erlös aus dem Verkauf von Kunst aus öffentlichem Besitz voll in den Ankauf neuer Werke zurückfließen müsse.

Daran und an den von Ute Schäfer kritisierten Vorschlag des seinerzeitigen Portigon-Chefs anknüpfend, schlug Christiane Hoffmans dem Auktionator vor, man könne doch einen Landesfonds aufstellen, in den Auktionshäuser Gewinnanteile für jede öffentliche Ausstellung einzahlen würden, die Bilder vor deren Verkauf im Lande wertsteigernd präsentierten. Van den Valentyn wand sich sichtlich und meinte, dass dieser Vorschlag eher mit den Besitzern als mit den Auktionshäusern zu klären wäre. Er wies darauf hin, dass bereits beträchtliche Abgaben aus Auktionsgewinnen an Verwertungsgesellschaften zu leisten seien und dass es überhaupt wichtig sei, das Geschäft der Galerien und Auktionshäuser zu ermöglichen. Je weniger Galerien in NRW noch Geld verdienen könnten, desto weniger Künstler, zumal bedeutende Künstler, könnten ihr Auskommen finden.

Was ist nun zu tun in Bezug auf die Problematik des Kunstverkaufs aus öffentlichen Unternehmen? Gerhard Finckh, Direktor des Von-der-Heydt-Museums in Wuppertal, trug aus dem Publikum heraus vor, dass jeglicher Kunstverkauf der öffentlichen Hand untersagt werden müsse, denn seit dem Aachener Warhol-Verkauf sind einige seiner Kollegen drängenden Forderungen aus Stadtvertretung und -verwaltung ausgesetzt. Ute Schäfer sah damit auch den Weg verschlossen, dass aus Depots Werke verkauft werden, um neue zu kaufen. Museen sind das Archiv einer Gesellschaft, postulierte Finckh dagegen, eine gesetzliche Regelung sei notwendig.

Brigitte Franzen warnte in Bezug auf Sammler vor Tendenzen zu einer indirekten Enteignung und setzte Hoffnungen auf die derzeitige Novellierung des Kulturgutschutz-Gesetzes: Die Museumsleiter beobachten den Prozess genau. Der frühere ministeriale Kulturabteilungsleiter Peter Landmann wies darauf hin, dass man die Novellierung des Gesetzes nicht überschätzen dürfe, denn letztlich regele dieses nur den Transfer der Werke ins Ausland und sage über Verkäufe im Inland nichts aus. Michael Serrer vom Literaturbüro Düsseldorf und Vorstand des Kulturrats NRW, sowie der Autor Jörg Jung legten entsprechend Wert darauf, dass die Frage, welche Kunstwerke öffentlich zugänglich bleiben und welche nicht mehr, wichtiger sei als die Frage, ob Kunst ins In- oder ins Ausland verkauft würde. Brigitte Franzen sah Verbesserungsbedarf in der NRW-Liste des Kulturgutschutzes, die sehr unvollständig sei. Die Ministerin pflichtete ihr bei und wies darauf hin, dass aus allen Bundesländern höchst unterschiedliche und z.T. kaum nachvollziehbare Zusammenstellungen gemeldet worden seien. Ute Schäfer kündigte eine komplette Inventarisierung der öffentlichen Bestände in NRW an.

Georg Seeßlen forderte, dass Kunst auch eine Verantwortung für die Demokratie übernehmen müsse. Viele Künstler definierten Kunstfreiheit nur als ihre Marktfreiheit. Er plädierte dafür, dass man Kunst nicht mehr kaufen kann, sondern adoptieren muss. Das Podium schien die These überwiegend mit amüsierter Sympathie aufzunehmen, versuchte aber nicht, sie auf die realen Verhältnisse herunterzubrechen. Als konkretes Ergebnis blieb am ehesten die Mahnung Michael Breuers stehen, dass die Unternehmen mit Landesbindung klare Handlungsrichtlinien mit Rechtsgrundlage benötigen, will man eine Verpflichtung des Kunstbesitzes verankern.

Robert v. Zahn und Reinhard Knoll

18.08.2015

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