Corona-Rundbrief Nr. 17
Liebe Mitglieder des Kulturrats NRW, liebe Kultur-Verantwortliche,
wir erwarten von der Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin in dieser Woche ein deutliches Wort zur Bedeutung der Kultur in einer freien Gesellschaft.
Seit fast zwei Monaten hat die Corona-Krise die Kulturwelt fest im Griff. Vor wie auch hinter den Kulissen wird kräftig daran gearbeitet, die damit verbundenen Schwierigkeiten und Herausforderungen zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln. Manches dauert deutlich länger als für einige Betroffene erträglich, das erfahren wir täglich aufs Neue durch Anrufe und Zuschriften von Kulturschaffenden, die uns ihre Situation schildern und sich mit ihren Fragen an uns wenden. Wir bleiben dran – und stehen weiterhin in Kontakt mit Politik, Verwaltung, Verbänden, mit der Presse sowie den Kulturschaffenden im Land. Und auch in unserem heutigen Rundbrief berichten wir von den aktuellen Entwicklungen:
Kontakte zur Kulturpolitik in NRW
Der Krisenstab des Kulturrats NRW hat sich in dieser Woche in Telefonkonferenzen mit den kulturpolitischen Sprechern ausgetauscht. Erkennbar wurde in allen Gesprächen eine weitgehende Übereinstimmung in allen Fragen. Die Sprecher zeigten sich offen für unsere Positionen und dankten für die Unterstützung des Kulturrats NRW. Die Debatte im Landtag am 30. April brachte nicht die erhoffte Klarheit bezüglich der Soforthilfe des NRW-Wirtschaftsministeriums. Diese seit fünf Wochen währende Hängepartie bezeichneten alle als unerträglich. Die Verhandlungen des Landes mit dem Bund waren bisher ohne Ergebnis, ein weiteres Abwarten ist nicht zu rechtfertigen. Der Kulturrat NRW wurde eingeladen, sich bei der nächsten Sitzung des Kulturausschusses im Landtag am 14.5. zu Wort zu melden.
Soforthilfe für Künstler*innen und Kulturschaffende
Auf diesem Feld ist die Landespolitik in der Defensive. Ihr droht ein Vertrauensverlust in der Kulturszene. Seit fünf Wochen nun warten wir auf ein Signal der Landesregierung in Sachen Soforthilfe für Solo-Selbständige. Dieser Stillstand ist nicht tragbar, es muss gehandelt werden. Die Enttäuschung, dass nur ca. 2500 Künstler*innen vom Programm des Kulturministeriums profitieren konnten, ist groß. Die psychologische Wirkung darf nicht unterschätzt werden.
Bayern und Baden-Württemberg haben trotz der Meinungsverschiedenheiten mit dem Bund tragfähige Lösungen entwickelt. Wir vertreten nach wie vor die Position, dass es eines monatlichen Pauschalbetrags zur Deckung der Lebenshaltungskosten der Kulturschaffenden bedarf. Arbeitslosengeld II ist unserer Ansicht nach keine Lösung, eine Meinung, die so auch die Kulturminister der Länder vertreten. Die Kulturschaffenden werden im Vergleich zu anderen Berufsgruppen benachteiligt, für die es bereits besser ausgestattete Hilfsprogramme gibt. Die Unsicherheit bezüglich der Verwendung bereits bewilligter 9000€-Hilfen ist nach wie vor groß. Auch wurde uns berichtet, dass es Jobcenter gibt, die diese 9000 Euro bei der Beantragung der Grundsicherung ALGII anrechnen. Laut Aussage des Pressesprechers der Bundesanstalt für Arbeit ist dies jedoch unzulässig. Näheres zu diesen Fragen finden Sie auch auf unserer Website.
Förderwesen in NRW
Zum Förderwesen des Landes in der Corona-Krise hat der Finanzminister am 1. April einen Erlass vorgelegt, der vieles positiv regelt und krisengemäße Regelungen trifft. Allerdings melden uns unsere Mitgliedsverbände auch zwei grundlegende Probleme, die wir in einer Telefonkonferenz mit dem Kulturministerium diskutiert und dann als Brief an den Finanzminister gerichtet haben:
a) Der Erlass hält strikt an der Jährlichkeit der Fördermittel fest. Das führt dazu, dass viele landesgeförderte Kulturanbieter ihre Veranstaltungen in den Herbst 2020 verschieben. Weder ist gesichert, dass dann Veranstaltungen stattfinden können, noch ist zu ersehen, wie das Publikum für eine solche Dichte an Veranstaltungen gewonnen werden soll. Wir fordern deshalb eineerleichterteÜbertragbarkeit der Fördermittel in das Jahr 2021.
b) Die Verbände, die mit Landesmitteln Akteure des Kulturlebens fördern, sind gehalten, bei jedem Projekt eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, ob es sich wirklich in einer coronabedingten Sondersituation befindet, und dies zu dokumentieren. Das ist der Dringlichkeit, in der Krise schnell zu handeln, nicht angemessen. Wir hatten, auch nach einem Gespräch mit dem Finanzminister gehofft, dass die jetzige Situation auch zu der lange angestrebten, überaus notwendigen Entbürokratisierung des Zuwendungsrechts führt.
Gemeinnützige Einrichtungen
Wir sehen eine Untiefe zwischen den Hilfsprogrammen der Landesregierung, was kleine Kultureinrichtungen, besonders gemeinnützige Vereine angeht. In der NRW Soforthilfe 2020 sind diese nur förderberechtigt, wenn sie Mitarbeiter haben und unternehmerisch tätig sind im Sinne, mehr als die Hälfte der erwarteten Einnahmen aus Quellen zu beziehen, die in der Corona-Krise versiegt sind. Das trifft auf viele nicht zu. Und das Heimatministerium erarbeitet ein Förderprogramm, das auf Vereine des Brauchtums abhebt. Dazu gehören auch kulturelle Einrichtungen, aber nicht alle. Für viele wichtige kleine Kulturträger, die in Nöten sind, trifft aber weder das eine, noch das andere zu. Hier muss die Landesregierung tätig werden. Daher fordert der Kulturrat NRW in Anlehnung an das rheinland-pfälzische Modell (10 Mio. Euro) und jetzt an das Berliner Modell, ein eigenes Programm für diese Kultureinrichtungen, die ansonsten durchs Rost fallen. Diese Forderung haben sich auch Kulturminister der Länder zu eigen gemacht. Nun müssen sie handeln.
Öffnungsstrategie
Der jüngste Erlass des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums lässt die Arbeit von Hochschulen, Einrichtungen der Weiterbildung und auch Musikschulen in ihren Gebäuden unter strengen Auflagen zu. Wir begrüßen das sehr. Die Landesregierung hat damit ein psychologisch wichtiges Signal auch in das Kulturleben gegeben. Wir müssen darauf achten, dass jede weitere Stufe der Lockerungen auch das Kulturleben berücksichtigt. Beispielsweise auch Tänzer*innen oder Artist*innen, die ebenso wie Profi-Sportler*innen die Chance bekommen müssen, im Training zu bleiben, indem Sie unter Einhaltung der Auflagen wieder Zutritt zu Hallen oder Trainingsräumen bekommen. Viele unserer Einrichtungen sind in der Lage, die vom Gesundheitsministerium formulierten Auflagen bezüglich Abstände und Hygiene zu gewährleisten. Sie erarbeiten Wegeleitsysteme, Verhaltensregeln für die Nutzer, Hygieneinfrastrukturen und Aufsichtssysteme. Die Szenarien des Gesundheitsministeriums müssen diese ebenfalls berücksichtigen.
Wir weisen ausdrücklich auf das Programm des Bundes zur Finanzierung coronabedingter Investitionen hin. Anträge sollten schnell gestellt werden. www.neustartkultur.de
Bundeskulturpolitik
In die Bundeskulturpolitik ist in den letzten Tagen Bewegung gekommen. Der Druck vieler Initiativen aus der Künstlerschaft hat offenbar gewirkt. Kulturstaatsministerin Grütters zeigte sich zuletzt offen für die Einrichtung eines Kulturinfrastrukturfonds . Gemeinsam mit dem Bundeskulturrat fordern wir eine Anfangsfinanzierung in Höhe von 500 Mio. €. Grütters‘ Regelung zu den Ausfallhonoraren kommt nur Bundeseinrichtungen zugute. In NRW gibt es schon länger Ausfallhonorare im Rahmen der anpassten Förderrichtlinien.
Kommunen
Es ist heute schon absehbar, dass die Gemeinden, die eine Hauptlast der Kulturförderung tragen, in große Schwierigkeiten kommen. Auch da müsste dieser Fonds einspringen können.
WDR3 Kulturpolitisches Forum
Am 11. Mai findet die Aufzeichnung des vom Kulturrat NRW angeregten Kulturpolitischen Forums im Kleinen Sendesaal statt – aufgrund der Corona-Bestimmungen ohne Publikum. Das Thema lautet: „Kunst- und Kulturschaffende in der Pandemie – Wie hilft der Staat ? Welche Perspektiven gibt es?“ Die Sendung wird am Sonntag, den 17. Mai um 18.04 Uhr auf WDR3 ausgestrahlt und ist danach als Podcast abrufbar. Es diskutieren die Musikerin Christina Lux, die Filmemacherin Christina Ebelt, die bildende Künstlerin Jeannette de Payrebrune sowie die stellvertretende Vorsitzende des Kulturrats NRW, Heike Herold, und die Geschäftsführerin des NRW Landesbüros Freie Darstellende Künste, Ulrike Seybold. Sie werden ihre Erfahrungen mit Antragsstellungen, Bewilligungen etc. schildern und sich über mögliche Perspektiven austauschen. Die Moderation übernimmt Peter Grabowski.
Corona-Kultur-Sprechstunde
Unsere Berater haben die häufigsten Fragen gesammelt, die ihnen in den letzten Wochen zum Thema Soforthilfen für Kulturschaffende gestellt wurden. Die dazugehörigen Antworten finden Sie seit heute auf unserer Website unter https://kulturrat-nrw.de/corona-faqs/. Außerdem finden Sie dort eine Reihe weiterführender Links sowie hilfreiche Formulare zum Download. Für ihre individuellen Fragen stehen unsere Berater weiterhin zu den angegebenen Zeiten werktags zur Verfügung. Die Förderung des Beratungsprojekts ist zunächst bis 20. Mai vorgesehen. Wir erwarten, dass das Ministerium für Kultur die Fortsetzung ermöglicht.
Mit besten Grüßen
Gerhart Baum
Vorsitzender des Kulturrats NRW
Kontakt: info@kulturrat-nrw.de