Politische Neutralität in Kunst und Kultur? – Bericht vom Mitgliederforum

Am 4.11.2024 lud der Kulturrat NRW seine Mitglieder und Gäste zu einem Forum mit dem Thema „Politische Neutralität in Kunst und Kultur? – Über das Neutralitätsgebot“ ein. Konzipiert wurde die Veranstaltung von der AG Demokratie stärken, die sich seit 2018 mit der Frage nach der Rolle der Kultur in einer funktionierenden Demokratie beschäftigt. Gut vierzig Teilnehmende waren der Einladung ins Konferenzzentrum der RheinEnergie AG gefolgt und hörten Vorträge des Juristen Prof. Dr. Friedhelm Hufen und des Regisseurs Robert Zeigermann.

Zu Beginn fragte Moderatorin Anke Bruns den Vorsitzenden Lorenz Deutsch, warum die Wahl auf dieses Thema gefallen sei. Deutsch erläuterte, dass der Kulturrat NRW sich in aktuell herausfordernden Zeiten die Frage nach der eigenen Position im gesellschaftlichen Diskurs stelle. Das so genannte Neutralitätsgebot sei in diesem Zusammenhang immer wieder aufgekommen. Für ihn selbst seien „neutrale Demokraten nicht vorstellbar“, da jeder einzelne in einer funktionierenden Demokratie „seine Haltung und seine Vorstellungen mit einbringe“. Deutsch äußerte den Wunsch nach einer klaren Haltung, wofür Kunst und Kultur sich in einer Demokratie einsetzen.

Auch das Publikum war sich auf Nachfrage darin einig, dass Kunst nicht neutral sei. Dabei wurde zu bedenken gegeben, dass erst einmal geklärt werden müsse, was mit Neutralität eigentlich gemeint sei.

Dies unterstrich der erste Redner, der Jurist Prof. Dr. Friedhelm Hufen aus Mainz, direkt zu Beginn seines Vortrags, indem er betonte, wie wichtig die differenzierte Betrachtung des Begriffs sei. Er bezeichnete den Terminus der Neutralität im politischen Rahmen als „missverstanden, missbraucht und missglückt“. Ein Begriff, der über eine Taktik der Nadelstiche aus bestimmter politischer Richtung zu einer zunehmenden Polarisierung beitrage.

Chancengleichheit statt Neutralität

Die Offenheit des demokratischen Diskurses nannte Hufen ein zentrales Element der Demokratie. Bezogen auf politische Parteien gehe es vielmehr um die Gewährung von Chancengleichheit denn um Neutralität. Ein Beispiel, das sich für viele Anwesenden als relevant erwies: Stellt eine öffentlich geförderte (Kultur-)Einrichtung üblicherweise ihre Räumlichkeiten für Parteiveranstaltungen zur Verfügung, muss sie diese grundsätzlich allen demokratisch gewählten Parteien zur Verfügung stellen.

Neben der Fokussierung auf die Chancengleichheit, ging Hufen auch darauf ein, wo die Grenzen der Kunstfreiheit liegen. Kunst darf nicht alles, auch sie muss sich innerhalb der verfassungsimmanenten Schranken bewegen. Das Eingreifen in die Privatsphäre Einzelner sei beispielsweise nicht erlaubt. Ebenso wenig wie Schmähkritik. Dies hat jedoch nichts mit parteipolitischer Neutralität zu tun. Verfassungsziele dürften immer verteidigt werden. Hufens Empfehlung: Öffentlich geförderte Institutionen sollen möglichst genau beschreiben, was der Inhalt ihrer Veranstaltung ist, ohne dabei Parteien explizit zu benennen.

Neutralität als Kulturkampfbegriff

Der Theaterregisseur Robert Zeigermann wiederum nahm die Perspektive aus künstlerischer Praxis ein und beschrieb Konflikte mit dem so genannten Neutralitätsgebot in seiner Arbeit. Er schilderte seine Recherchen zu diesem Thema, bei denen ihm die Forderung nach Neutralität immer wieder als Kulturkampfbegriff der Rechten begegnet sei.

Zeigermann warnte vor der Neutralität im Kunstkontext, die sich in einer Art vorauseilendem Gehorsam zeige, der wiederum rechtsextremen Parteien in die Hände spiele. Die innere Schere dürften Künstlerinnen und Künstler keinesfalls ansetzen. Um den Gegnern der Demokratie den Wind aus den Segeln zu nehmen, plädierte Zeigermann dafür, die Vernetzung über die „methodischen Bubbles“ von Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft hinaus voranzutreiben. Sein Fazit: „Wir können uns Neutralität nicht leisten!“

In dem sich anschließenden Gespräch mit dem Publikum wurde deutlich, dass vor allem Kulturinstitutionen vor der Frage stehen, wie sie die gesetzlichen Vorgaben einhalten, wenn es darum geht, Gruppierungen auszuschließen, die demokratische Werte untergraben. Als Künstler berichtete Zeigermann, dass er bereit sei, gewissen „Ärger in Kauf zu nehmen“ und sagte, es sei „Zeit, wütend zu werden“. Der Jurist Hufen wiederum war der Meinung, Wut sei ein schlechter Ratgeber, da sie Gegen-Wut erzeuge.

Dennoch ermunterte Hufen dazu, Mut zu zeigen, indem auch in Verwaltungskontexten immer wieder auf die Kunstfreiheit hingewiesen werden sollte. Abschließend verwies er auf den von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichten Leitfaden mit dem vielsagenden Titel „Neutralität ist auch keine Lösung“.

(c) Fotos: Christian Knieps

 

Dokumente zur Online-Ansicht und zum Download:

Was die Kunst darf: Zum sicheren Umgang mit dem Neutralitätsgebot 14 Thesen von Prof. F. Hufen

Rechtsprechung und Literatur zum Thema „Neutralitätsgebot“ bzw. Chancengleichheit der Parteien – Stand 13.09. 2024 – Prof. Dr. Friedhelm Hufen

crh, 7.11.2024

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